“Die Wogen nehmen den Kummer der Menschen mit”
Buchrezension zu „Mrs.Dalloway“ von Virginia Woolf, geschrieben von Berit Weis
Der Roman „Mrs.Dalloway“ von Virginia Woolf erschien 1925, die Zeit der Handlung ist auf einen einzigen Tag Mitte Juni im Jahr 1923 beschränkt.

Die zweiundfünfzigjährige Clarissa Dalloway– Ehefrau eines Parlamentsabgeordneten – will am Abend eine ihrer berühmten Upperclass-Partys geben. Sie ist den Tag über mit Vorbereitungen zu ihrer Party beschäftigt, kauft Blumen, läuft durch die Straßen von London, richtet ihre Garderobe und dekoriert ihr Haus.Es gibt keinen Plot im Sinne einer kausal verknüpften Handlung, der Roman konzentriert sich auf die Wiedergabe von Gedanken und Sinneseindrücken einer Reihe von Figuren. Neben Clarissa’s Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend ist es auch ihre Jugendliebe Peter Walsh oder ihr Ehemann Richard Dalloway, deren Gedanken und Gefühle wiedergegeben werden.

Bourton-on-the-Water | Bourton-on-the-Water is a village in … | Flickr; Ersteller: Márcio Cabral de Moura
Im Mittelpunkt des zeitlich parallel verlaufenden zweiten Handlungsstrangs steht der Kriegsheimkehrer Septimus Warren Smith. Septimus leidet an Wahnvorstellungen als Folge eines Einsatzes im Ersten Weltkrieg. Um sich vor einer Einweisung in die Heilanstalt zu retten, begeht er Suizid. Die beiden Hauptfiguren Clarissa Dalloway und Septimus Smith sind sich im Roman nie begegnet, trotzdem gibt es Verbindungen zwischen Ihnen, wie sie ihre Welt wahrnehmen, sich (oft vergeblich) um Beziehungen bemühen oder wie sie mit dem Tod umgehen.
Das Werk konzentriert sich allein auf den Bewusstseinsstrom der Figuren, zeitlich durch die Glockenschläge von Big Ben strukturiert– der Arbeitstitel des Romans hieß „The Hours“. So wie der Tag mit Clarissa’s Spaziergang und Erinnerungen an ihre Freunde in London begann, endet er mit ihrer Party, zu der die Freunde eingeladen sind.
Biografie Virginia Woolf
erstellt von Berit Weis
Am 25. Januar 1882 wird Adeline Virginia Stephen als drittes von vier Kindern des bekannten Kritikers und Essayisten Leslie Stephen und seiner Frau Julia in London geboren.Sie wächst als zweitjüngstes von acht Geschwistern und Halbgeschwistern im vornehmen Stadtteil Kensington auf.

Virginia besucht keine Schule, hat aber Zugang zur großen Bibliothek ihres Vaters, sie kam bereits als Kind in Kontakt zu Autoren wie Thomas Hardy und Henry James, die häufig bei ihrem Vater zu Besuch waren. Bereits früh äußerte sie den Wunsch, Schriftstellerin zu werden.
1891 erscheint die erste Ausgabe der Familienzeitschrift der Stephens-Kinder, die »Hyde Park Gate News«. Am 5. Mai 1895 stirbt die Mutter an den Folgen einer Influenza. Ihr Tod löst Virginias erste psychische Krise aus. Zwei Jahre später stirbt ihre Halbschwester Stella an den Folgen einer Bauchfellentzündung. Am 22. Februar1904 stirbt Ihr Vater, der inzwischen in den Adelsstand erhobene Sir Leslie Stephen, an Krebs. Im Mai des Jahres erleidet Virginia einen Nervenzusammenbruch.
1905 zog sie gemeinsam mit ihren Geschwistern Vanessa und Thoby in ein Haus in Bloomsbury, das der späteren „Bloomsbury Group“ ihren Namen gab. Hier kommen Literaten, Verleger, Maler und Wissenschaftler zusammen, um über ästhetische und philosophische Fragen zu diskutieren. Sie schreibt Buchrezensionen und Artikel für die Frauenbeilage des „Guardian“.
1912 heiratet sie den Verleger Leonard Woolf, 1913 beendet Virginia Woolf ihr Buch »The Voyage out«, an dem sie seit 1907 gearbeitet hat. Im Juli leidet sie unter schweren Depressionen, am 9. September versucht sie sich, mit Schlaftabletten das Leben zu nehmen.Zusammen mit ihrem Mann gründet sie 1917 den Verlag „The Hogarth Press“, in dem 1922 ihr Roman „Jacob‘s Room“ erschien.
In den folgenden Jahren erschienen „Mrs.Dalloway“ (1925), „TotheLighthouse“ (1927) und „Orlando“ (1928).
Virginia Woolf lernt die Schriftstellerin Vita Sackville-West kennen, mit der sie auch eine mehrjährige Liebesbeziehung unterhält.
Nach dem Kriegseintritt Englands erreichte die Luftschlacht um England 1941 ihren Höhepunkt, deutsche Bomber fliegen täglich Angriffe auf London. Das Wohnhaus der Woolfs wurde schwer beschädigt. Der Gesundheitszustand von Virginia Woolf verschlechterte sich, depressive Stimmungen nahmen zu, am 28. März 1941 nahm sich die erst 59-jährige Schriftstellerin im Fluss Ouse bei Lewes in Sussex das Leben.
Im Bestand der SLUB sind folgende Bücher nachgewiesen (eine Auswahl):
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
petrametzelthin (2. Januar 2024). “Die Wogen nehmen den Kummer der Menschen mit” SLUB TextLab. Abgerufen am 9. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/vexu
Virginia Woolfs Roman „Mrs. Dalloway“ ist zweifellos ein Meisterwerk der modernen Literatur. Dauer und Augenblick, Leben und Vergänglichkeit, Erinnerungen und Sehnsüchte sowie Gesellschafskritik spiegelt der Roman im Wesentlichen durch die Selbstreflektion der Titelfigur wider. Er wird durch eine innere Handlung bestimmt und ist damit recht anspruchsvoll für den Leser, der eine spannende äußere Handlung erwartet.