Gedanken von Anne Wolf zum 13. Februar 1945
Kriege kehren stets an ihren Ausgangspunkt zurück.
Das musste Dresden – wie viele andere deutsche Städte – im Februar 1945 erfahren.

Dresden, die Stadt mit den wunderbaren Kunstsammlungen und mit der größten Kasernenanlage Europas. Dresden, die Stadt mit den vielen Schokoladenfabriken und mit den modernen Rüstungsbetrieben. Dresden, die Stadt mit den prächtigen Bahnhöfen, deren Gleise bis nach Auschwitz führten … Zuerst kamen die Flüchtlinge und die Zwangsarbeiter, die verwundeten Soldaten, die Kriegsgefangenen. Und dann kamen die Bomber. Ein Drittel der Stadt wurde zerstört, 25 000 Menschen kamen ums Leben.
Ich denke an meine Oma. Sie überlebte die Bombennächte. Doch sie konnte sich später nie an einem Silvesterfeuerwerk freuen. Wenn mittwochs die Sirenen zur Probe heulten, schloss sie alle Fenster, setzte sich auf ihren Küchenstuhl und hielt sich die Ohren zu. Auch in den 1970er Jahren noch. So stark war die Erinnerung.
Ich denke an den alten Herrn, den in seinen letzten Lebensjahren immer wieder die Bilder der zerstörten Stadt quälten. Im Herbst 1945 war er aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt und ging zu Fuß vom Neustädter Bahnhof bis in sein Dorf im Süden Dresdens. Er durchquerte die Wüste Dresden voller Ungewissheit und Angst. Stand das Elternhaus noch? Waren seine Liebsten am Leben? Wieder und wieder erzählte er davon.
Ich denke an den alten Bergfreund, der als Zehnjähriger in der Bombennacht um sein Leben rannte. Eine Frau nahm ihn an der Hand und führte ihn aus der brennenden Johannstadt ans rettende Elbufer. Eine völlig unbekannte Frau gab ihm die Hand und rettete sein Leben. Daran denke ich, wenn ich heute in der Menschenkette stehe und vielleicht einem mir völlig unbekannten Menschen die Hand reichen werde …
Apropos Händedruck. Gestern reichte Bundeskanzler Olaf Scholz Leuten die Hand, die ihr Geld damit verdienen, Tötungsmaschinen und Mordwerkzeuge zu bauen. Maschinen und Werkzeuge, die nur dazu taugen, Menschen zu töten. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland … Deutsche Waffen, deutsches Geld … Ich hoffe sehr, dass die Mathematiker Recht haben, und dass sich Parallelen wirklich erst in irgendeiner fernen Unendlichkeit schneiden.
Wir brauchen kein kriegstüchtiges Land. Wir wollen eine friedliche Welt.
Lasst uns dafür wirken – arbeiten, singen, schreiben, malen, lernen, reden … – endlich friedensfähig zu werden!
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
petrametzelthin (13. Februar 2024). Gedanken von Anne Wolf zum 13. Februar 1945. SLUB TextLab. Abgerufen am 9. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/vty3